Ich hasse Hochzeiten


 

 

Wenn Sie mich zu einer Hochzeit einladen, komme ich nicht.
Dieses gespielte Vergnügen kann ich nicht mehr ertragen.
Hochzeitsfeiern finde ich bestenfalls spiessig, meistens peinlich. Ich warte lieber auf die Scheidung.

Da kommt zunächst ein „Wir trauen uns“-Schriftzug auf der Einladung, mit dem Hinweis bitte „fleißig“ Jasmin-und-Stefan-Traumhochzeit.de zu folgen. Nach der mehrmaligen, nachdrücklichen Erinnerung an die RSVP-Deadline wird klar, dass dieser Tag kein einfacher werden wird. Als Hochzeitsdatum wurde natürlich der 22.2.2022 gewählt – Achtung Besonders! Bei anderen auch schon mal der 14. Februar – Valentinstag - Hu lala.

Besonders Originelle fahren gar nach Paris, nach Venedig oder Neuschwanstein, um ja die besten Ingredienzien für den schönsten Zwangstag des Lebens nach außen sichtbar zu projizieren.
„Der schönste Tag im Leben“ steht bevor. Hochzeit in Weiß, mit der obligatorischen weißen Stretch-Limousine, noch besser mit weißer Kutsche. Jasmin und Stefan haben, wie originell, sogar eine Hochzeitszeitung herausgegeben.
Man geht in die Kirche, die man seit 10 Jahren nicht betreten hat – selbst das Brautpaar nicht - denn eine Kirche macht sich einfach gut auf den Fotos.

Danach in der romantischen Location, geschmückt mit dekorativen Herz-Luftballons, gibt es keine fünf Minuten ohne Programmpunkt. Das ist ober-anstrengend. Beim Brautpaar bemerkt man, dass sie ständig schauen, ob wohl alle das wirklich auch für ein besonders tolles Fest halten. Die Armen müssen permanent versuchen glücklich auszusehen und gleichzeitig immer so tun, als ob sie sich höllisch amüsieren. Ich überlege, wie froh ich sein kann, an deren Stress-Gedanken nicht teilhaben zu müssen.

 

Nachdem der dritte Redner aufsteht, um seine Hochzeitsrede zu halten und dabei - wie alle anderen - vor „konfliktreichen Tagen“ warnt, die man einfach durchstehen müsse, frage ich mich, warum sie überhaupt heiraten, wenn doch alle vor den Streitereien warnen, die man offensichtlich nicht hätte, wenn man gar nicht verheiratet wäre.  

Man sitzt bei der viel zu üppigen Mahlzeit irgendwelchen Leuten gegenüber, die man noch nie gesehen und mit denen man noch weniger gemeinsam hat und versucht mühsam ein Gespräch aufrecht zu erhalten. Die mehrfach zu ertragende Frage: „Naa, wann ist es denn bei dir mal soweit...“ erzeugt schon nach dem ersten Mal Wärme in der Speiseröhre.

Alles ist voraussehbar. Das Brautpaar schneidet  - wie originell - die Torte gemeinsam an. Und die Braut wirft am Ende den Brautstrauß rückwärts über die Schultern. Was für eine schöne Tradition…
Nur die anwesenden Kinder halten das für echtes Amüsement.
Ich frage mich, wann es bei diesem gewollten „Brautstraußwurf Höhepunkt“ die erste Frauenmehrheit gibt, die sich weigert sich hinter der Braut aufzustellen, um sich selbst so einen Zwangsjackentag zu ersparen.

Dann werden natürlich ein Hochzeitsvideo und hunderte gestellte Fotos erstellt. Lässig lehnend am Baum, vor dem Oldtimer, schmachtend küssend vor dem Schlossportal. Mal mit Blumenkindern, mal mit schöner Landschaft. Das wird dann alles fein spießig in ein Album geklebt und die kitschigsten Fotos zieren danach Facebook und Wohnung.

Zum Würgen.

 

P.S. Die Scheidungsrate in Deutschland liegt derzeit bei 41%

 

letztes Update: 9. September 2023


Kommentare
Tanja  Eberle
06.08.2019
Also mir helfen Paspertintropfen ganz gut gegen Hochzeitswürgen. Die Anwendung der Tropfen gegen Hochzeitswürgen wurde jedoch noch nicht wissenschaftlich überprüft und ist deshalb in der Gebrauchsanweisung noch nicht festgehalten.
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