Selbstmord als Grundrecht
Nicht jeder Selbstmord hat eine Depression als Hintergrund. Es ist nicht zwingend so, dass einer, der sein Leben ein Ende setzen will, seine Lebensumstände negativ sieht, in Depressionen ist, in einem Loch der Verzweiflung steckt.
Das mag für die meisten zutreffen, oder vielleicht für viele, aber, da bin ich sicher, da gibt es eine Dunkelziffer, bei denen trifft nichts von alledem zu. Der Begriff „lebensmüde“ kann auch etwas ganz anderes als Hintergrund haben.
Sie können sehr wohl ganz einfach aus dem Leben scheiden, weil Sie das Leben einfach nur als das erkannt haben, was es wirklich ist: Ein Spiel ohne Ziel, ohne Sinn, ohne Bestimmung. Es ist schlicht egal, wann jemand stirbt. Es gibt keine Bestimmung, keine Lebensaufgabe für irgendjemand! Das sind alles menschengemachte Fantastereien.
Was, wenn Sie einfach nur folgendes erkannt haben: Ich renne mein ganzes bisheriges Leben einfach immer nur nach von-anderen-gesehen-werden, nach der Fremdwahrnehmung, nach Anerkennung.
Alles, wirklich alles, auf was ich mich immer „gefreut“ habe, nach dem ich gestrebt habe, für das ich Entbehrungen auf mich genommen habe… war im Grunde nur ein Rennen nach Fremdwahrnehmung, nach Anerkennung, nach „Gesehen werden“ von anderen Menschen und es ist schon Tage später wieder zerronnen – nie hat es mich dauerhaft aufgefüllt – ständig musste ich es wiederholen – ständig noch höhere Ziele setzen, deren Gefühle des „Stolzes“ (Wieder die Grundlage Fremdwahrnehmung) aber bei Erreichen auch wieder ruck zuck zerronnen. Was, wenn man erkannt hat, dass dies in der Vergangenheit genauso war, wie es in aller Zukunft sein wird? Der Wunsch noch was „erleben“ zu wollen, noch „Spass“ haben zu wollen… der Wunsch nach dem „Weiterleben“, hat immer nur diese dumpfe Ziel: Ich möchte noch ein paar Tage in der Zukunft erleben, wo Menschen mich wahrnehmen, anerkennen, mich bewundern. Wie in den letzten 40 Jahren auch. Alle Ziele lassen sich darauf reduzieren. Das nennen wir eine „verheissungsvolle Zukunft“.
Wenn ich das aber schon 20, 30, 40 Jahre so gemacht habe, ohne je an irgendeinem befriedigenden Punkt dauerhaft angekommen zu sein, sondern ständig immer wieder weiter dieses Hamsterrad nach Anerkennung weiter am Laufen halte, dann kann es völlig legitim sein, zu sagen: Ich steig aus!
Der Lebenssinn, der angeblich darin besteht anderen zu helfen, etwas Gutes zu tun, den Planet besser zu hinterlassen, als man ihn vorgefunden hat, ist eine Fiktion! Es geht in Wahrheit immer nur darum, von anderen für die geleistete Hilfe anerkannt zu werden. Ich als der "Helfer für andere", der „Beschützer der Wale“, der "Kämpfer für die Benachteiligten", der „Wohltäter der Obdachlosen“, der "Retter der Welt".
Das sind alles selbstgestrickte Lügen, um ja nicht eingestehen zu müssen, dass ich nur an mir selber interessiert bin. Mein ganzes Leben lang. Und egal wie viel Jahre ich noch auf dieser Erde leben werde, es wird immer weiter nur darum gehen: bitte seht mich, bitte anerkennt mich, bitte bewundert mich! Ob als Fussballstar, als Künstler, als Arzt, als Spiritueller, als Influencer, als Bescheidener, als „guter Zuhörer“, als Helfer, als Umweltaktivist, als Mutter… es ist egal.
Es ist durchaus vorstellbar, dass jemand dieses ewige Betteln nach Gesehen-Werden als sinnlos erkannt hat und sagt: „Ich gehe!“ Es bringt nichts, das (mit den immerselben unbefriedigenden Strohfeuer-Ergebnissen) noch künstlich weitere 30 Jahre zu verlängern. Es ist OK, dem von sich aus ein Ende zu bereiten… bei bester Gesundheit, bei besten finanziellem Hintergrund, bei besten gestellten scheinbaren „Aufgaben“, bei besten Freundschaften.
Spiel durchschaut. Ihr könnt ohne mich spielen.
Grundrecht auf Selbsttötung
Ich bin für eine verfassungsmässige Verankerung des Rechts, seinem eigenen Leben jederzeit, ohne Begründung ein Ende setzen zu dürfen. Das sollte eines der Grundrechte jedes Menschen sein.
Ein verfassungsmäßiges Recht, ohne Begründung jederzeit sterben zu können beinhaltet weit mehr, als dass man sich aus spirituellen Gründen umbringen kann.
Es geht darum, dass Selbstmord nicht mehr verfemt wird.
Es geht darum, dass man offen über seinen Sterbewunsch in der Gesellschaft reden kann.
Es geht darum, das Sterben eine Normalität wird, wie sie nun einmal ist. Und nichts Schlimmes, nichts Außergewöhnliches.
Es geht darum, dass die Menschen sich nicht mehr erschießen, vom Hochhaus springen, sich aufhängen oder vor den Zug werfen müssen.
Es geht darum, dass so eine Gesellschaft erkannt hätte, dass der Tod gleichwertig dem Leben ist.
So wie in der Schweiz, könnte man sich in eine Sterbeklinik begeben, dort bekommt man ein Gläschen mit einer Überdosis Anästhesie-Mittel neben sich gestellt, und das kann man dann in ärztlicher Begleitung trinken. Humaner Selbstmord.
Der Unterschied zur Schweiz wäre: Niemand fragt mehr Warum.
Aber das bräuchte einen Bewusstseinszustand der Gesellschaft, der Lichtjahre weiter ist, als wir es derzeit haben.
letztes Update: 1. Februar 2024
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Gedankensplitter: Hinter der Fremdwahrnehmung steht der Tod. Der Tod des ICH ist die Angst;
Hat folgenden Inhalt:
Wenn ich erkannt habe, dass es immer nur darum geht, der Fremdwahrnehmung nachzurennen um Anerkennung zu erhalten, wenn ich erkannt habe, dass das Leben keinen Sinn hat, keine Bedeutung, es kein Ziel gibt, das man erreichen kann, wenn ich erkannt habe, dass mein Ich nur aufgebaut ist auf der Fremdwahrnehmung und mein Ich eine Illusion ist, aufgebaut auf einem Konstrukt und ich davon müde bin. Weshalb sitze ich dann immer noch hier und schreibe diesen Text?
Zitat: Es ist durchaus vorstellbar, dass jemand dieses ewige Betteln als sinnlos erkannt hat und sagt: „Ich gehe!“ Es bringt nichts, das noch künstlich weitere 30 Jahre zu verlängern.
Worin liegt der Unterschied, dass jemand “ich gehe jetzt!» umsetzt oder immer noch weiter diese ermüdenden Gedanken erfährt und im Bewusstsein der Sinnlosigkeit akzeptiert?
Wenn ich meine Gedanken dazu anschaue, dann erkenne ich diese Sinnlosigkeit des Spieles und frage mich, was mich davon zurückhält zu sagen: « Ich gehe!» Und dann bekomme ich die Antwort:» Weil ich Angst habe vor dem Tod des ICH. Ich stelle mir dann immer noch andere vor, was die wohl über mich denken würden, wenn ich mich heute suizidieren würde. Und dieses Bild über mich, welches ich mir vorstelle, dass andere über mich haben, würde erschüttert werden mit einem solchen Akt der Selbsttötung. Das Ich was ich mir vorstelle, dass andere über mich haben glaube ich damit zu zerstören. Das hält mich davon ab.
Was braucht es nun dazu, dass ich solche Gedanken der Fremdwahrnehmung im Moment des Suizides nicht habe? Bin ich beim Akt der Selbsttötung gedankenfrei?
Würde dann ein Grundrecht, dass sich jeder Mensch zu jeder Zeit ohne Begründung selbst töten darf in meinen Gedanken etwas ändern? Ist es das alleinige negative Urteil der Gesellschaft, meiner Nächsten, dass mich davon abhält?
Herr Pöhm, komme ich jetzt ihrem Artikel näher? Ich weiss es nicht.
Aktuelle rechtliche Grundlage in der Schweiz in Bezug auf den Verzicht von Nahrung und Flüssigkeit:
Je nach konkreten Umständen des Versterbens wird die Polizei, beziehungsweise die Staatsanwaltschaft zunächst von einem «aussergewöhnlichen Todesfall» ausgehen und eine Untersuchung durchführen. Weil es denkbar ist, dass der Verstorbene nicht freiwillig auf Nahrung und Flüssigkeit verzichtet hat, sondern durch Angehörige dazu gedrängt wurde (sog. Verleitung zum Selbstmord, Art. 115 StGB).