Udo Jürgens – denn ich weiss nicht, wer ich bin


Wenn Udo Jürgens sagt: "Ich brauch das Publikum, wie die Luft zum Atmen", dann gilt die Ergänzung: "Weil ich sonst nicht weiss, wer ich bin."


 

Mit dem Tod von Udo Jürgens waren unzählige Artikel und alte Interviews mit ihm in Zeitungen zu lesen. Ich spürte bei Udo Jürgens immer sehr stark heraus, wie er das, was er glaubte zu sein, nur aus dem schöpfte, wie andere ihn sahen. 

Hier einige Zitate aus Interviews:

Mit 17 Jahren als Schüler spielte ich ein selbst komponiertes Stück, es hieß Je t'aime- und Mädchen, die mich nie beachtet hatten, sahen mich plötzlich mit Sternen in den Augen an. Da war mir klar, dass nur das Klavierspiel mein Weg sein kann.

Als ich von Udo Bockelmann zu Udo Jürgens wurde, leistete ich mir einen englischen Smoking, mein erstes Bühnenoutfit, für 380 Mark, die ich bei meinem Schneider in Raten abstottern musste. Aber Mädchen drehten sich endlich nach mir um.

Mich interessiert niemals links oder rechts, für mich gab es immer nur oben und unten. Ich wollte nach oben.

Von meinen Eltern war ich nie richtig anerkannt. Aber eines Tages lud ich meinen Eltern in die Berliner Philharmonie ein und als Überraschung erlebten Sie dort mit, wie das gesamte 80 köpfige Ensemble mit mir als Dirigent meine Lieder einübte – Ich sah, wie mein Eltern perplex waren und mich plötzlich mit Stolz betrachteten. Es war einer der schönsten Momente meines Lebens.

Ohne Musik wäre ich ein Niemand geworden. Ich brauche mein Publikum wie andere Menschen die Luft zu atmen, sonst gehe ich vor die Hunde.

 

Wenn ein berühmter Zeitgenosse stirbt, werden andere berühmte Zeitgenossen zu ihm befragt, die in ihren Statements plötzlich alle enge Freunde von ihm waren und nur Gutes über ihn zu berichten wissen. Selten wird eine Stimme laut, die dieses Glanzbild durchbricht, wie z.B. die seines Cousins, - Andrej Bockelmann, der über ihn sagt: "Udo hat die Menschen nicht geliebt. Ich hatte immer den Eindruck, dass ihn die Menschen, die ihm zujubelten, nicht wirklich interessiert haben. Er wollte nur hören wie gigantisch er war"

 

Wer war Udo Jürgens, wenn man all das weglassen müsste, was damit zu tun hat, wie er sich durch die Augen anderer Menschen sah?
 

Ich bin ein Künstler, ein Star - muss man weglassen, denn ohne andere Menschen, ohne seine Fans, ohne Medien durch deren Augen ich mich als Künstler sehen kann, kann ich das nicht sein.

Ich bin beliebt bei Frauen - muss man weglassen, denn ohne andere Menschen, ohne die Frauen selber, ohne männliche Freunde, durch deren Augen ich mich als erfolgreicher Casanova sehen kann, kann ich das nicht sein.

Ich bin intelligent – muss man weglassen, denn ohne andere Menschen durch deren Augen ich mich als intelligent sehen kann, kann ich das nicht sein.

Ich bin sorgender Vater von 3 Kindern - muss man weglassen, denn ohne andere Menschen, ohne meine Kinder, ohne Freunde, Bekannte, Verwandte, durch deren Augen ich mich als liebender Vater sehen kann, kann ich das nicht sein.

Ich singe Lieder mit Tiefgang. – muss man weglassen, denn ohne andere Menschen, durch deren Augen ich ein Songschreiber mit Tiefgang bin, kann ich das nicht sein...

 

Und so könnte ich Attribut, für Attribut aufzählen und egal, wie Udo sich noch selbst definiert hätte, man müsste es weglassen, wenn man die Fremdwahrnehmung dieses Attributs weglassen müsste.

Ohne die Vorstellung, was andere über ihn denken/sagen, ohne die Vorstellung, wie er sich durch die Augen anderer Menschen sieht, wusste Udo Jürgens nicht im Geringsten, wer er wirklich war.

Nichts bliebe mehr von seiner Identität übrig.

 

Das gilt nicht nur für Udo Jürgens, das gilt auch für Sie

Udo brauchte die Menschen nur, um sich durch deren Augen als jemand zusehen, der er nicht war. Denn er wusste nicht, wer er wirklich ist. So wie wir alle...

Nennen Sie irgendeine Charaktereigenschaft von Ihnen, die etwas zu Ihrer Identität beitragen könnte, ohne sich andere Menschen vorzustellen, die eben diese Eigenschaft in Ihnen sehen müssen. 

Wer sind Sie? Ergänzen Sie einmal für fünf Minuten folgenden Satz über Sie:

Ich bin…

Alles, was wir glauben zu sein, erhält seine Existenz nur, indem wir uns anderer Menschen vorstellen, die in uns das sehen. Unsere Identität geht immer über den gedanklichen hufeisenförmigen Umweg durch andere Köpfe.

 

Die Menschen halten das Feedback über ihre Person, für die Person selber.

 

Viele denken, das gelte nur für öffentliche Personen, die auf der Bühne stehen und über die in Zeitungen geschrieben wird. Rockstars, Künstler, Politiker. Sie glauben, sie selber, mit ihrem Partner, mit ihrer Familie und mit ihren "echten Freunden" seien frei davon.

Schauen wir uns das einmal im Detail an.

Ihre Freunde. Diese Freundschaften haben Sie, weil Sie dringend jemand brauchen, der Sie als "jemand spezielles" sieht. Überprüfen Sie das ernsthaft, es stimmt.

Ihr Partner. Diesen Partner haben Sie, weil Sie dringend jemand brauchen, der Sie als "jemand Spezielles" sieht. Überprüfen Sie das ernsthaft, es stimmt.

Ihre Kinder. Diese Kinder haben Sie, weil Sie dringend jemand brauchen, der Sie als "jemand Spezielles" sieht. Überprüfen Sie das ernsthaft, es stimmt.

 

Nicht nur Rockstars denken, sie sind das, was sie glauben, wie andere sie sehen. Nein, dasselbe gilt für jeden Menschen dieser Erde. Putin, Heinrich Böll, Ihr Nachbar, Sie selber. Es ist nur die Bezugsgruppe, die mentale Bühne, die wechselt. Das Prinzip ist dasselbe.

An all dem ist nichts Schlimmes, es ist einfach so. Nur, wir verleugnen, dass es so ist und stecken, ohne zu wissen warum, weiter im Sumpf von Selbstzweifel, unterschwelliger Angst, ständiger Anerkennungssucht und mangelnder Selbstliebe.

Zum Schluss wollen wir alle nur in den Augen der anderen als jemand erscheinen – Das ist die einzige Quelle unserer Identität. Denn wir wissen nicht, wer wir wirklich sind und da bleibt uns nur die Illusion zu glauben, das zu sein, was wir hoffen, dass andere von uns denken/sagen.

Unsere Identität ist ein Luftschloss, dessen einzige Bausteine aus Hoffnung bestehen, wie wir wünschen, dass andere uns wahrnehmen sollen. Wir wissen nicht im Geringsten, wer wir wirklich sind.

Lesen Sie im Buch "Nichts muss sich ändern", wer Sie ausser der Fremdwahrnehmung wirklich sind, und wie sie durch dieses Erkennen ein endgültiges, angstfreies Glück erleben können. Buch anschauen / bestellen

 

Ende der Seite: Kritik an Udo Jürgens

Letztes Update: 3. Januar 2015


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