Weihnachten Fest der Freude – Fest der Lüge


Da gab es eine Tante, die ihrem erwachsenen Neffen schon 11 Jahre zum Geburtstag immer einen Marzipankuchen backte, weil er ihn ja so gerne mag. Bis eines Tages herauskam, dass der Neffe niemals Marzipankuchen gemocht hat und dass die Tante es gleichzeitig immer gehasst hat, Marzipankuchen zu backen.

An diese Geschichte muss ich denken, wenn ich vor Weihnachten durch die Fussgängerzone von Zürich gehe. 

Das ganze Jahr sieht man nicht so viele versteinerte, gestresste Gesichter, wie wenn man vor Weihnachten durch die Fussgängerzonen unserer Städte geht. Da ist weder Freude noch Frieden zu sehen. Wir kaufen Geschenke, deren Kauf uns grossen Stress verursacht, und wir erhalten Geschenke, über die wir uns im Grunde gar nicht freuen.

9 von 10 Menschen sagen bei der Geschenküberreichung nicht, wenn ihnen die Geschenke nicht gefallen. Ähnlich dem Neffen und der Tante mit dem Marzipankuchen, spielen wir uns da wechselseitig eine Seifenoper vor – aus Angst, Pflichtbewusstsein und Tradition... Nicht nur vor Weihnachten.  

 

 

 

Zu keiner anderen Periode im Jahr werden so viele Tränen in den Familien vergossen. Nirgend so oft wie zu Heilig Abend, bricht die über das Jahr krampfhaft propagierte heile Familienwelt auf breiter Front auf. Mühsam zusammengehaltene Ehen zeigen ihre Risse, das Jahr über unter den Teppich gekehrte Eltern-Kind Konflikte brechen offen aus. Bei uns zu Hause war es immer vorauszusehen, dass meine Mutter am Heiligabend weint. Nicht vor Freude!

 

Nur solange ein Kind noch an den Weihnachtsmann glaubt, ist Weihnachten ungetrübt

Das "Fest der Familie" zeigt, dass nur im Kleinkindalter die verklärten Projektionen der Eltern mit der "heilen Familie" und der "heilen Weihnachtswelt" funktioniert haben. Nur solange wir als Kind noch an den Weihnachtsmann glaubten, waren wir der Garant der ungetrübten Freude unserer Erschaffer. Sobald wir aber erwachsen sind, tun wir nur so, als ob wir uns immer noch genauso auf Weihnachten mit den Eltern und Geschwistern freuen. In Wahrheit sind wir erleichtert, wenn wir am Ende wieder mit denen zusammen sind, die nicht Familie sind.

Einzig das "Niemand-Enttäuschen-Wollen" führt dazu, uns mit gequältem Lächeln wechselseitig zu bestätigen, dass hinter der Kinofilm-Hausfassade genannt "Familie", angeblich immer noch ein intaktes, prächtiges Haus steht. Wenn Ihre eigenen Kinder, (bei denen sie denken, es wird alles anders sein) dereinst erwachsen sind, werden die Ihnen genau dieselbe Seifenoper vorspielen.

Das ist unser Problem im ganzen Leben. Wir tun so, als ob etwas schön, erfüllend wäre, weil man uns es so beigebracht hat und wir verleugnen, was wir wirklich erleben. Unser ganzes Handeln ist getrieben, von dem, was andere über uns denken - wir fühlen uns ängstlich, minderwertig und nicht anerkannt und machen daher all diese unsinnigen Dinge, damit die anderen hoffentlich nicht schlecht über uns denken. Erfolg, Ruhm, Ehe, Kinder, Weihnachtsgeschenke... Wir wagen nicht, uns einzugestehen, dass das alles mit Angst verknüpft ist und dass die versprochenen Glücksgefühle entweder gar nicht da sind, oder nach kurzem Aufflammen mit Schmerz wieder verglimmen.

Wann werden wir beginnen, uns die Wahrheit über uns selbst zu erzählen?

Wenn man Wahrheit, statt Wunschdenken als Grundlage nimmt, dann kann jeder erkennen: Das reale Weihnachten ist weder das Fest der Freude, noch das Fest der Familie, noch das Fest des Friedens. Es ist das Fest der Lügen.

Wir können das Scheinleben nur dann überwinden, wenn wir anerkennen, dass es da ist.

Buch "Der Glücksdurchbruch"

 

Letztes Update: 29. Juni 2021


Kommentare
Tanja  Eberle
25.11.2019
Kann ich alles bestätigen, Herr Pöhm.

Zitat: "Wir können das Scheinleben nur dann überwinden, wenn wir anerkennen, dass es da ist."

Erst müssen wir das Scheinleben erkennen und erst dann besteht die klitzekleine Möglichkeit uns dies selbst mutig zu erzählen und es anzuerkennen, dass es da ist.

Da liegt der Hund begraben.
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Ralah  Wilhelmine
01.12.2019
Ja, das "Niemand-Enttäuschen-Wollen" ist ne fiese Verführung all jener, die unbedingt "dazugehören" wollen. Ich kenne das auch. Irgendwann stellt sich die Frage, WO will ich eigentlich wirklich "dazugehören"? Und dann kommt die leise Erkenntnis, da wo ich dachte, da will ich eigentlich gar nicht dazugehören!
Im 1.Buch von N.D.Walsch steht in etwa: "Sich selbst zu verraten, um nicht einen anderen zu verraten, ist der größte Verrat."
Noch heute hatte ich ein Gespräch, wo ich einem Mann riet, sich mal um sich selbst zu kümmern, und die demente Mutter mal den anderen anzuvertrauen. Er meinte "Ich will nicht flüchten." Hört sich erstmal nett an, aber er flüchtet vor sich selbst, dem einzigen Menschen, für den er nicht einstehen will.
Schade um verlorene Lebenszeit.
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Frank Renz
09.12.2019
Weihnachten - leider muss ich mich Herrn Pöhm anschließen. In einem Beitrag sagt er sehr treffend: " Wenn Du glaubst, Du bist erleuchtet, geh und verbringe eine Woche mit Deinen Eltern oder der Familie." Da kommen dann die ganzen alten Rollenbilder wieder hoch! Ich habe inzwischen eine Abneigung gegenüber Weihnachten. Hier zeigt sich die Schwierigkeit der Menschen überhaupt Frieden zu schaffen. Alleine, kann man leider das Spannungsfeld nicht entladen, wenngleich ich weiterhin daran arbeite. Zu keiner Zeit des Jahres herrscht dermaßen Spannung, wie um diese Zeit. Das "bekannte und klassische" Tübinger Landestheater nimmt dieses Spannungsfeld in der Familie sogar in seiner aktuellen Werbung auf. So in der Art:".....dann entflieh und komm zu uns....!"

Das Ganze ist natürlich befeuert durch eine mediale Gesellschaft, die ihre verlorene Sinnhaftigkeit in einem Konsum-Kommerz mit projizierten Erwartungen sucht, die niemand erfüllen kann. Zu keiner Zeit des Jahres sitzen die Menschen so intensiv mit diesen Erwartungen zusammen, wie zu Weihnachten. Jeder mit seiner eigenen DNA, seinem Leben. Aber bei Erwachsenen gibt es eine Vergangenheit, zu allen familiären Seiten diverse Enttäuschungen, alte Konflikte und Rollenbilder - viel Unausgesprochenes.....

Hinzu kommt genau der von Herrn Pöhm geschilderte Aspekt. Keiner der Beteiligten will diese Projektion der Erwartung enttäuschen, Lieber lügt man sich selbst gegenseitig an. Dabei entsteht natürlich Spannung. Der kleinste Funke reicht, und die hohe Spannung entlädt sich...vollkommen natürlich.

Wie Herr Pöhm treffend ausführt, treffen sich zu WeihnachtenMenschen, um miteinander Ihre Sehnsucht nach Frieden in der Welt und nach Frieden untereinander zu feiern. Aber auch das ist eine Lüge. Selbst unter den Menschen, die von sich sagen, sie glauben an Gott, sind Christen, spielt der "wirkliche" geschichtliche Hintergrund und die aktuelle Religion eine Schein-Rolle. Vielmehr hoffen Sie, dass für eine kurze Zeit ihre Träume aus der Zeit Ihrer Kindheit doch Wirklichkeit werden.
Was die meisten von uns dabei vergessen, ist die Erfahrung, dass Erwartungen und Träume Kindheit darstellen. Mit dem Erwachsenen-Leben nichts zu tun haben. Und auch Erwartungen und Träume nur durch Arbeit wirklich werden können, nicht durchs Wünschen. Und so passiert es dann, dass die Enttäuschung darüber, dass wir uns alle im vergangenen Jahr nicht zum Positiven verändert haben, dass bei der Enge der gemeinsamen Weihnachtsfeier die alten Konflikte wieder lebendig werden. Es kommt, wie jedes Jahr zu, zur Explosion.

Wenn wir jetzt, wie jedes Jahr, nach Weihnachten davon ausgehen, dass Abwarten das Problem lösen wird, kann man sicher sein etwas zu Traditionspflege dieser Problematik zu tun. Man wird an Weihnachten der kommenden Jahre wieder das Gleiche erleben. Wir Menschen sind sehr gut bei diesem Endlosspiel.

Weihnachten als Fest der Liebe und als Fest des Friedens zu bezeichnen ist absurd! Gerade das Christentum zeichnet sich in seiner 2000 jährigen Geschichte durch ein imperialistisches Machtstreben aus, verdeckt unter dem Begriff Missionieren, Kreuzzügen etc...mit Millionen von Toten. Auf den Schlachtfeldern der 2 Weltkriege hat sich das gegenseitige Morden nach einem "Gute Nacht, heilige Nacht" unbeirrt fortgesetzt.

Bereits der 1. Weltkrieg war ein Krieg unter lauter christlichen Nationen mit all seinen schrecklichen Dingen, dem ganzen Elend. Alles in allem kein großes Zeugnis christlicher Werte. Und bevor nun jemand wieder kommt und hier zwischen Jesus und den sündigen Menschen trennt... Dem sage ich, es gibt hier und heute keinen Jesu. Wir Menschen müssen daran arbeiten, die Welt zum Besseren zu machen. Das ist harte Arbeit. Das geschieht nur durch Gelassenheit, gegenseitige Toleranz und Vernunft.

Ich glaube nicht an die Götter, ich glaube nicht an den Gott, ich glaube nicht ans Nirvana, ich glaube an die Ratio, ich glaube an das Gewissen des einzelnen Menschen, dem er verantworltich sein muss. Von da ist es nicht sehr weit zu Emanuel Kant's kategorischem Imperativ: Nachdem jeder sich so verhalten soll, dass seine eigenen Verhaltensprinzipien, gleichzeitig die Verhaltensprinzipien für seinen gegenüber, für seinen Nachbarn, für Jedermann sein könnten. Wenn man so will, ist das insgesamt….eine nicht sehr komplizierte, aber wie ich denke, wenn auch einfache Philosophie wie man kulturell und sozial miteinander gut zusammenleben kann.

Aber der Mensch an sich, ist zugleich gut und böse und das wird er wahrscheinlich immer bleiben. Das weiß ich auch. Umsomehr zählt der obige Aspekt.

Entschuldigen Sie Herr Pöhm, zum Schluss habe ich das Thema verlassen ;-)
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